Persönlichkeit hat viele Facetten
  „Erkenne dich selbst“ (Gnothi seauton) oder „Erkenne, was du 
  bist“ verkündete eine Schrift am Apollontempel in Delphi ca. 
  Mitte des 5. Jahrhunderts vor Chr.
  Offensichtlich war es den Menschen schon vor ein paar tausend 
  Jahren wichtig, sich selbst zu erkennen. Oder zumindest einigen 
  Menschen. „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ ist nicht nur 
  humorvoll gemeint, sondern hat selbstverständlich einen 
  ernsthaften Hintergrund. 
  Was ist das „Ich“, welches zu entdecken sich der Mensch zur 
  Aufgabe gemacht hat? In asiatischen Kulturen hat sich die 
  Meditation entwickelt und im Westen finden Yoga und andere 
  kontemplative Praktiken zur Selbsterfahrung großes Interesse.
  Und gleichzeitig wird doch so vieles dafür getan, damit anderen 
  das eigene Ich verborgen bleibt.
  Nicht jeder erhält einen Blick ins Innere der eigenen „Seele“ … 
  könnten sich vielleicht doch dunkle „Abgründe“ auftun, die 
  niemand sehen darf?
  Gibt es überhaupt ein „Ich“ von dem wir so selbstverständlich 
  sprechen? Muss an der „Persönlichkeit“ eigentlich gearbeitet 
  werden? Wird sie entdeckt, entwickelt, entfaltet oder sollte ich 
  mich von ihr lösen?
  Dazu gibt es tatsächlich ganz unterschiedliche Ansichten in der 
  Psychologie.
  In unserer Gesellschaft gibt es offensichtlich einen zunehmenden 
  Trend, die Persönlichkeit „frei“ zu wählen,
  sie sogar zu designen. Und bis zu einigen Millimetern in die Tiefe 
  geht das auch durchaus, ohne dass es zu ernsthaften 
  gesundheitlichen Schäden führt. 
  Aber befindet sich die „Seele“ nicht ganz tief in unserem Innern? 
  Reicht es dann, nur die Oberfläche aufzupolieren? Ist die Seele 
  das gleiche, wie die Persönlichkeit oder der Charakter oder das 
  Selbst, das Naturell, das Wesen, die Individualität, die Identität?
  Alleine schon die Begriffsvielfalt deutet auf eine gewisse 
  Herausforderung bei diesem Thema hin.
  Oder ist es vielleicht doch viel einfacher, so wie es Plutarch 
  formulierte. „Der Charakter ist weiter nichts als eine langwierige 
  Gewohnheit.“
  Persönlichkeit hat viele Facetten
  Nicht nur eine Persönlichkeit hat viele Facetten, sondern auch 
  das Thema „Persönlichkeit“ sowie das Phänomen 
  „Persönlichkeit“ als Forschungsgebiet haben viele Facetten.
  Die Frage nach der menschlichen Natur, ist vielleicht so alt, wie 
  die Menschheit selbst. Und daher haben sich auch die 
  unterschiedlichsten Vorstellungen und Modelle über die 
  „menschliche Seele“ entwickelt.
  Die alten Griechen sprachen von den Temperamenten, die durch 
  Säfte hervorgerufen wurden. Der Choleriker (Galle) ist besonders 
  als Chef bei vielen Mitarbeitern nicht sehr beliebt.
  Das Wort „Person“ in den europäischen Sprachen geht auf das 
  lateinische Wort „persona“ zurück.
  Dieses wurde hauptsächlich im Sinne von „Rolle, Charakter, 
  Maske“ gebraucht. Im alten Rom trugen die Schauspieler Masken 
  (persona), die dem Publikum die Eigenschaften der Person, die 
  sie darstellten, zeigen sollten. So gab es zum Beispiel Masken mit 
  lachenden, weinenden oder wütenden Gesichtern, die den 
  jeweils typischen Charakter einer Rolle erkennbar und 
  vorhersehbar machten.
  „Bedenke, dass du nur der Schauspieler bist in einem Stück, das 
  der Spielleiter bestimmt. (…) Deine Aufgabe ist es nur, die dir 
  zugeteilte Rolle gut zu spielen; sie auszuwählen, steht einem 
  andern zu.“ (Epiktet, 50 bis 138 n. Chr.)
  Für die Behavioristen war die Persönlichkeit eine „Black Box“. 
  Man schaute, was hinein ging und was rauskam (der Reiz und die 
  Reaktion). Denn das alleine glaubte man, messen zu können.
  Persönlichkeitsmodelle existieren viele und eine einheitliche 
  Definition von „Persönlichkeit“ gibt es in der Psychologie bis 
  heute nicht. Der Psychologe Allport hat schon in den 30er Jahren 
  des letzten Jahrhunderts versucht, eine Fülle von über 50 
  verschiedenen Formulierungen aus Philosophie, Psychologie, 
  Theologie und Soziologie zu Kategorien zusammen zu fassen und 
  deren Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Daran ist zu 
  erkennen, dass in der Wissenschaft, wie im Alltagsdenken und -
  erleben eine Vielfalt an Vorstellungen existiert, was der Mensch 
  im Inneren sei.
  Für das Berufsleben will man seine Stärken (er)kennen und 
  gewinnbringend einsetzen. Auch hier haben sich vielfältige 
  Begrifflichkeiten gebildet: Kompetenzen, Qualifikationen, 
  Schlüsselqualifikationen, Softskills, Handlungskompetenzen, 
  Individualkompetenzen u.v.m.
  Höher, weiter, schneller soll es dabei gehen … immer mehr 
  Leistung … die Konkurrenz ist groß.
  Wer sich gut verkauft, liegt vorne. An der Persönlichkeit feilen, 
  damit sie wie ein feiner Schlüssel die gewünschten Türen öffnet. 
  Persönlichkeit als Werkzeug … Persönlichkeit als 
  Alleinstellungsmerkmal … Persönlichkeit als Marke!
  Und dennoch, eine gesunde und stabile Persönlichkeit ist für ein 
  gesundes und erfüllendes Leben wichtig.
  Aber wie entsteht denn überhaupt eine Persönlichkeit? Um das 
  zu beantworten müssen wir ja erst einmal bestimmen, was 
  Persönlichkeit überhaupt ist.
  Dazu dient uns eine Definition aus dem Duden: 
  „Persönlichkeit ist die umfassende Bezeichnung für die 
  Beschreibung und Erklärung des einzigartigen und individuellen 
  Musters von Eigenschaften eines Menschen, die relativ 
  überdauernd dessen Verhalten bestimmen.“
  Allport sieht zusätzlich noch eine „dynamische Organisation“, die 
  im Menschen wirksam ist und Erich Fromm gibt einen Hinweis 
  auf „ererbte und erworbene psychische Eigenschaften“. Damit 
  wird die Anlage-Umwelt-Thematik in den Fokus gerückt. 
  Der russische Psychologe Alexei Leontjew (1903 – 1979) geht 
  noch einen Schritt weiter und schreibt in seinem Hauptwerk 
  „Tätigkeit, Bewußtsein, Persönlichkeit“: „der Mensch tritt nur als 
  ein mit bestimmten natürlichen Eigenschaften und Fähigkeiten 
  begabtes Individuum in die Geschichte ein … und nur als Subjekt 
  gesellschaftlicher Beziehungen wird er zur Persönlichkeit.“
  Das bedeutet, die Persönlichkeit wird durch den Austausch mit 
  der Umwelt erzeugt.
  Mit Definitionen könnten wir allerdings Seiten füllen. Das liegt an 
  den verschiedenen psychologischen Schulen mit ihrem 
  unterschiedlichen Verständnis des Menschen. Der Gründer einer 
  psychologischen Schule ist dabei nicht frei von seiner eigenen 
  Biografie. Und das sind Sie nicht und ich bin es auch nicht.
  Welche Disziplinen beschäftigen sich mit dem Thema 
  Persönlichkeit? Welche verschiedenen Einflüsse vermutet man 
  daher?
  In differenzierter Form spiegelt sich hier zudem das Anlage-
  Umwelt-Modell wider.
  Wie entsteht die Persönlichkeit?
  Der Säugling beißt in seinen Schnuller oder in einen anderen 
  Gegenstand. Dann beißt der Säugling in seinen Finger und es tut 
  weh. Er beißt mal hier drauf, mal da drauf, dann wieder auf einen 
  Finger und es tut erneut weh. Vereinfacht gesagt, auf solchen 
  und ähnlichen Wegen bildet sich die Wahrnehmung eines 
  „Körper-Ich“ heraus. 
  Der Säugling kann Anfangs zwischen Ich und Umwelt noch nicht 
  unterscheiden. Daher sagte schon Freud, das frühe Ich sei zuerst 
  und vor allem ein „Körper-Ich“ (erste Form der Identität).
  Der Säugling wird gesteuert von seinen Trieben, die das 
  Überleben sichern und lebt nach dem Prinzip, Unlust zu 
  vermeiden und Lust zu befriedigen. 
  Auf der Basis der sensomotorischen Funktionen und Fähigkeiten 
  des Körpers bilden sich nach und nach komplexere 
  Erfahrungswerte heraus. Objekte werden als solche erkannt und 
  vom Körper getrennt wahrgenommen. Sie bleiben zudem mehr 
  und mehr in Erinnerung („Objektpermanenz“ nach Piaget).
  In dieser Trennung zwischen Subjekt und Objekt kann der 
  Säugling daher und gerade erst dann lernen, auf Objekte 
  einzuwirken.
  Auf dieser Grundlage, sowie mit der Entwicklung der Sprache, 
  entstehen höhere mentale Funktionen.
  Mit der Sprache entsteht eine neue Welt, die aus Symbolen, 
  Begriffen und Ideen besteht. Das entstehende mentale Ich kann 
  äußere Objekte und auch den Körper mit seinen Vorgängen zum 
  Gegenstand seiner Betrachtung machen. Diese Objekte existieren 
  dann auch weiter ohne ihre Anwesenheit. Dadurch entsteht eine 
  neue, abstraktere Form der Einflussnahme, mit der Objekte und 
  Vorgänge gesteuert werden können. Zum Beispiel, das 
  Aufschieben von Bedürfnissen oder die Entscheidung, auf etwas 
  zu verzichten, zuliebe einer „höheren“ Errungenschaft 
  (Sublimierung).
  Was hier beschrieben wird, geht auch mit einer weiteren 
  wichtigen Entwicklung einher: der Erweiterung von 
  Perspektiven. Das Kind erweitert kontinuierlich seine 
  Perspektiven und lernt, das Leben weniger egozentrisch zu sehen 
  und Perspektiven „von außen“ sowie aus der Sicht anderer 
  einzunehmen. 
  Ja, ich weiß. Diese Fähigkeit lässt so manch ein Erwachsener 
  vermissen.
  Ab ca. vier Jahren beginnt das Kind unendlich viele Fragen zu 
  stelle. Fragen, auf die wir als Erwachsene erst gar nicht (mehr) 
  kommen und es werden Dinge in einer Art hinterfragt, die uns 
  erstaunen lassen. In der Schule lernen dann die Kinder leider oft, 
  dass manche der Fragen dumm oder falsch seien. Und sie lernen, 
  welche Fragen die richtigen sind. Das reduziert leider deren 
  Intelligenz enorm. Staunen und Fragen stellen ist der Beginn 
  einer jeden Wissenschaft. 
  Sprache ist zudem ein äußerst wichtiges Thema und da wir die 
  Sprache eines Landes und einer Kultur so selbstverständlich 
  lernen – und viele Kinder lernen zwei, drei Sprachen mühelos 
  parallel – ist uns nicht bewusst, welches Wertesystem wir damit 
  in uns aufnehmen. Sprache formt das Denken und das Denken 
  „formt“ dann wiederum so vieles mehr. Das wäre vielleicht ein 
  Thema für einen weiteren Blog.
  Nur zwei Zitate dazu: 
  „Wir sind, was wir denken. Alles, was wir denken, entsteht mit 
  unseren Gedanken.
  Mit unseren Gedanken machen wir die Welt!“ (Gautama Buddha)
  „Angehörige einer bestimmten Kultur kodifizieren die 
  Erfahrungen gemäß den Kategorien des jeweiligen linguistischen 
  Systems und erfassen nur das an Wirklichkeit, was ihnen 
  kodifiziert begegnet.! (Dorothy Lee, 1950, amerikanische 
  Anthropologin)
  Die Psychologin, Janes Loevinger, hat die Stufen der Kognitiven 
  Entwicklung Piagets erweitert und in das Erwachsenenalter 
  hinein fortgeschrieben. Piagets höchste Stufe ist die, des formal 
  operationalen Bewusstseins, die sich ab 12 Jahren entwickelt. 
  Der Mensch wird fähig, abstrakte Konzepte zu verstehen und zu 
  entwickeln. Er entwickelt die Fähigkeit zum deduktiven Denken 
  und er kann über sich, das Leben und die Welt reflektieren. 
  Loevinger beschreibt in insgesamt neun Phasen die Fähigkeit zur 
  und die Entwicklung von erweiterten Perspektiven, in denen „der 
  andere“, das Umfeld verstärkt mit einbezogen und in seiner 
  Autonomie und Freiheit respektiert wird. 
  Loevinger geht nicht von einer „psychischen Instanz“, wie ein 
  „Ich“ aus, sondern von einem Prozess, der die Gedanken und 
  Erfahrungen eines Menschen organisiert. Die Entwicklung findet 
  ein Leben lang statt.
  Diesem Ansatz oder Modell liegt ein konstruktivistisches 
  Entwicklungsverständnis zugrunde. Das bedeutet, dass 
  Strukturen, zum Beispiel Denkstrukturen, schrittweise aufgebaut 
  werden, die eine auf der Basis der anderen, die vorherige in der 
  nächsten aufgeht, also integriert wird, differenzierter und 
  komplexer und damit auch stabiler wird.
  Loevinger war eine Schülerin von Erik H. Erikson, der ebenfalls 
  ein Phasenmodell der menschlichen Entwicklung formuliert hat. 
  Dieses stellt eine biodynamische und psychosoziale Entwicklung 
  dar, die in ganz bestimmten Phasen ablaufen sollte, bei denen 
  die einzelnen Phasen, jede für sich, ihre ganz eigene Zeit 
  benötigt, in der sie zur Entfaltung kommen sollte. Es gibt 
  einerseits einen biologischen, also auch angeborenen Aspekt, 
  den es zu beachten und zu leben gilt und man kann nicht einen 
  Schritt vor dem nächsten machen. Ansonsten entstehen 
  Störungen in der Persönlichkeit. Diese Phasen werden von Krisen 
  unterbrochen oder eher begleitet (sie müssen nicht heftig sein, 
  können es aber, sie können ganz leicht im Hintergrund wirken), 
  in denen es zur Neustrukturierung, zur Neustabilisierung und zur 
  Entwicklung auf eine nächst höhere Stufe kommt. Damit einher 
  gehen neue Werteentwicklungen sowie die Identifikation mit 
  einer neuen Rolle. Erikson baut auf den Theorien Freuds auf, 
  dehnt die Entwicklung der Phasen allerdings auf acht aus und 
  stellt die Entwicklung als einen Prozess dar, der bis ins 
  Erwachsenenalter hinein reicht, genau genommen, das gesamte 
  Leben hindurch nicht endet. Und er hat einen soziokulturellen 
  Aspekt hineingebracht, der die gegenseitige Beeinflussung von 
  Kindern und Eltern, auch über mehrere Generationen hinweg 
  und die Beeinflussung der Gesellschaft auf das Leben des 
  Individuums beinhaltet (Erik H. Erikson: Identität und 
  Lebenszyklus)
  Modelle der Persönlichkeit
  Die westliche Psychologie ist vorzugsweise eine „Ich-
  Psychologie“. In der Psychologie, aber auch im 
  Alltagsverständnis werden häufig „Persönlichkeit“ und „Ich“, 
  aber auch der Mensch an sich mit der Persönlichkeit 
  gleichgesetzt. In der östlichen Psychologie, zum Beispiel im 
  Buddhismus, ist dies anders. Da ist die Persönlichkeit etwas, mit 
  der man sich identifiziert (hat). Und der Weg der Entwicklung ist 
  die „Des-Identifikation“ mit der Persönlichkeit und damit auch 
  mit dem Ich.
  Hirnforschung
  Nun gibt es aber auch aus einer ganz anderen und modernen 
  wissenschaftlichen Disziplin neue Erkenntnisse und Aussagen, 
  die vielleicht viele Menschen verunsichern werden. Nämlich aus 
  der Gehirnforschung. Da behaupten Wissenschaftler, so etwas, 
  wie ein Ich gäbe es gar nicht.
  Zumindest konnte man bisher kein Ich finden. Also keine 
  zentrale, alles steuernde und übergeordnete Instanz. Stattdessen 
  fand man heraus, dass unsere Funktionen, Wahrnehmungen und 
  Reaktionen aus unterschiedlichen Gehirnarealen gesteuert 
  werden. Und dass die Großhirnrinde (unser bewusstes Zentrum) 
  nur nachträglich erklärt, was schon im Gehirn an anderer Stelle 
  „entschieden“ wurde. 
  Der Biologe und Hirnforscher, Gerhard Roth, kommt aufgrund 
  eigener und Experimente weiterer Wissenschaftler zu dem 
  Ergebnis, dass es so etwas, wie einen freien Willen gar nicht gibt. 
  „Der freie Wille ist nur eine nützliche Illusion“. 
  Ein allem zugrunde liegendes Ich gibt es nicht, sondern nur ein 
  oszillierendes Bündel von unterschiedlichen Ich-Zuständen. Roth 
  beschreibet acht Ich-Zustände. Diese lassen sich 
  unterschiedlichen, sich überlappenden Netzwerken zuordnen.
  Das Körper-Ich
  gewährleistet das Bewusstsein, dass der Körper, in dem ein 
  Mensch steckt, sein Körper ist.
  Das Verortungs-Ich
  gewährleistet das Bewusstsein, sich gerade an diesem Ort und 
  nicht woanders zu befinden. 
  Das perspektivische Ich
  vermittelt dem Menschen das Bewusstsein, den Mittelpunkt der 
  von ihm erfahrenen Welt zu bilden. 
  Das Ich als Erlebnissubjekt
  vermittelt dem Menschen das Bewusstsein, er selbst habe 
  Wahrnehmungen, Ideen, Gefühle, und nicht etwa ein anderer.
  Das Autorschafts- und Kontroll-Ich
  vermittelt dem Menschen das Bewusstsein, dass er Verursacher 
  und Kontrolleur seiner Gedanken und Handlungen ist. 
  Das autobiographische Ich
  gewährleistet dem Menschen das Bewusstsein, auch heute 
  derjenige zu sein, der er gestern war, und lässt ihn in seinen 
  verschiedenen Empfindungen Kontinuität erleben. 
  Das selbst-reflexive Ich
  macht es möglich, dass der Mensch über sich selbst nachdenkt. 
  Das ethische Ich - das Gewissen 
  vermittelt dem Menschen das Bewusstsein, es gebe in ihm eine 
  Instanz, die ihm sagt oder befiehlt, was er zu tun und zu lassen 
  habe.
  Diese verschiedenen Ich-Zustände erleben wir in aller Regel als 
  ein einheitliches Ich. Gleichzeitig empfinden wir jedoch ein Auf 
  und Ab der unterschiedlichsten Selbst-Empfindungen, in denen 
  von einem Moment auf den anderen das Körperliche, das 
  Perzeptive, das Emotionale oder das Kognitive vorherrscht. Die 
  verschiedenen Ich-Zustände verbinden sich in ständigem 
  Wechsel miteinander und schaffen so den "Strom der Ich-
  Empfindung" (Roth)
  "Die Wirklichkeit und ihr Ich sind Konstruktionen, welche das 
  Gehirn in die Lage versetzen, komplexe Informationen zu 
  verarbeiten, neue, unbekannte Situationen zu meistern und 
  langfristige Handlungsplanung zu betreiben.“
  Typenlehre
  Wir drehen die Zeit zurück um ca. 2500 Jahre. Auch damals gab 
  es schon Persönlichkeitstheorien, die bis heute noch, mehr oder 
  weniger, angewandt werden und zudem sehr praktikabel sind. 
  Viele kennen jemanden, der oder die leicht aufbrausend ist, 
  schnell „auf 180“ und dem eigenen Ärger gerne Luft macht. Einen 
  solchen Menschen nennt man dann „cholerisch“.  Man sagt zwar: 
  „Hunde, die bellen, beißen nicht“, aber dennoch ist der Umgang 
  mit diesem Typus für viele nicht so leicht. 
  Die Temperamente
  Die Lehre der „Temperamente“ geht hauptsächlich zurück auf 
  Galen und Hippokrates (dieser lebte 460 – 377 v.Chr.). 
  Hippokrates ging von einer körperlichen Disposition aus, die 
  darauf beruht, dass verschiedene Körpersäfte im Menschen 
  vorherrschen. Beim Choleriker ist es die gelbe Galle („er spuckte 
  Gift und Galle“), der Melancholiker hat einen Überschuss an 
  schwarzer Galle und erlebt tiefe Gefühle, der Phlegmatiker 
  (phlegma = Schleim) ist antriebsschwach, der Sanguiniker 
  (sangus = Blut) ist eine sorglose und unbeständige 
  Persönlichkeit.
  Die vorherrschenden Säfte bestimmen den Typ des Menschen 
  und sein Verhalten. Aber der Zusammenhang zwischen diesen 
  Säften und einer bestimmten Persönlichkeit konnte niemals 
  nachgewiesen werden. Die moderne Temperamentsforschung 
  wurde von den Kinderpsychiatern Thomas & Chess (1980) mit 
  ihrer New York Longitudinal Study (NYLS) neu begründet. In 
  dieser Studie konnte man bereits bei Kleinkindern in den ersten 
  Lebensmonaten neun Temperamentsdimensionen bestimmen: 
  Ablenkbarkeit, Aktivität, Annährung–Rückzug, 
  Anpassungsfähigkeit, Aufmerksamkeitsdauer, 
  Reaktionsintensität, sensorische Empfindlichkeit, 
  Stimmungslage und Tagesrhythmus.
  Typenlehren gibt es zahlreiche und sie sind auch deswegen 
  beliebt, weil man durch die Typisierung schnell ein vermeintlich 
  eindeutiges Bild erhält, welches scheinbar leicht anzuwenden ist. 
  In der Anwendung im Alltag jedoch werden sie dann wieder sehr 
  komplex. Außerdem gibt es Mischtypen und dadurch werden 
  diese „Persönlichkeiten“ wieder facettenreicher.
  Der jeweilige Typus reagiert entsprechend in verschiedenen 
  Situationen und bei verschiedenen Anforderungen: 
  Kommunikation, Interaktion, Arbeitsverhalten, 
  Entscheidungsverhalten, Konfliktverhalten, … und 
  selbstverständlich ist dies alles keine Mathematik.
  Modelle bleiben Modelle, die Realität ist stets sehr viel 
  komplexer. Eine Landkarte gibt eine Orientierung. Aber erst wenn 
  man den Weg geht oder fährt, erlebt man die Strecke und 
  Umgebung mit allen Sinnen und Reizen. Es geht auf und ab, die 
  Landschaft verändert sich. 
  Welche Typenmodelle gibt es noch?
  Man zählt dazu die Astrologie, Numerologie, die Physiognomie, 
  Naturell-Lehre und Körpertypen-Lehre.
  Aus Indien sind ebenfalls Körpertypen (Doshas) bekannt: Vata, 
  Pitta und Kapha. Sie werden eher unter medizinischen 
  Gesichtspunkten gesehen, aber unterscheiden sich ebenfalls im 
  Verhalten. Auch hier kennt man Einflüsse durch den 
  vorherrschenden Stoffwechsel und die Heilungserfolge bei 
  chronischen Krankheiten sind äußerst hoch. In der chinesischen 
  Medizin gibt ebenfalls Typenmodelle, die sich auf die Elemente 
  beziehen: Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Danach wird 
  gekocht und behandelt.
  Körperorientierte Modelle konnten sich in der westlichen 
  Psychologie nie so recht durchsetzen. Das mag auch daran 
  liegen, dass der Verstand mit seinen Funktionen und Leistungen 
  in der westlichen Welt einen höheren Stellenwert besitzt und 
  weil mit Descartes (1596 – 1650) eine Trennung zwischen Körper 
  und Seele stattgefunden hat: „Ich denke also bin ich“. Diese 
  Annahme einer Trennung zwischen Körper und Seele ist tief in 
  das Denken von Medizinern und Naturwissenschaftlern 
  eingedrungen.
  Aber der Körper hat weitaus mehr Einfluss auf unser Verhalten 
  als viele ahnen. Denn der Körper ist die Quelle aller physischen 
  Energie, die uns versorgt und er hat seine speziellen Bedürfnisse. 
  Besonders dann, wenn die natürlichen körperlichen Funktionen 
  unterdrückt werden. Bedürfnis nach Bewegung, Ausdruck, Nähe, 
  Distanz, Sexualität, … Es entstehen Störungen, die tief auf die 
  Psyche einwirken. Auf dieser Beobachtung und Erkenntnis haben 
  sich körperorientierte Therapieverfahren entwickelt. 
  Was auch gerne vergessen wird: das Gehirn ist ein Teil des 
  Körpers. Und bevor dieses in der Embryonalentwicklung 
  „vollständig“ ausgebildet ist, sind andere Organe schon früher 
  voll funktionstätig. Zum Beispiel das Ohr (ab der zehnten 
  Schwangerschaftswoche). Was das kleine und noch 
  unvollständige Wesen wohl schon so früh hören möchte?
  Uns allen bekannte Formulierungen, wie “ich höre auf mein 
  Herz“ oder „das war eine Bauchentscheidung“, werden durch 
  neue wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigt. Zum Beispiel 
  spricht man vom Herzen sowie vom Darm als zweites Gehirn. 
  Denn es finden sich hier sehr komplexe neurologische Strukturen 
  und hormonelle Aktivitäten, die denen des Gehirns entsprechen. 
  Beide Organsysteme nehmen weitaus stärkeren Einfluss auf das 
  Gehirn als bisher bekannt und haben zudem ein Eigenleben. 
  Sogar die Zusammensetzung von Bakterien im Darm haben 
  wahrscheinlich Einfluss auf unser Verhalten. 
  C.G. Jung
  C.G. Jung (1875 – 1961) war ein Schüler Freuds, trennte sich 
  jedoch von Freud aufgrund unterschiedlicher Ansichten zum 
  Thema Sexualität und Freuds Libido-Theorie. 
  Aufgrund seiner sehr aufmerksamen Beobachtungsgabe 
  erkannte er bei seinen Mitmenschen zwei unterschiedliche 
  Einstellungen zu sich selbst und ihrer Umwelt.
  Der eine Typ orientiert sich stark an seine Umwelt und den 
  Mitmenschen, ist im Denken und Handel nach außen orientiert, 
  kontaktfreudig und bestrebt, auf seine Umwelt aktiv 
  einzuwirken.
  Der andere Typ ist eher nach innen gerichtet, beschäftigt sich 
  mehr mit seinen inneren Vorgängen, Denken und Fühlen, ist eher 
  zurückhaltend, was Kontakt betrifft, zögernd und verschlossen.
  Diese beiden Idealtypen nennt er: 
  Extraversion und Introversion
  Idealtypen, weil sie jeweils am Ende eines Kontinuums stehen.
  Neben diesen beiden Grundtypen benennt C. G. Jung noch vier 
  Grundfunktionen der Psyche, die unabhängig von Extraversion 
  und Introversion auftreten. Es handelt sich dabei um die 
  „rationalen Funktionen“ des Denkens und Fühlens (rational, weil 
  wertend) und die „irrationalen Funktionen“ des Empfindens und 
  Intuierens (irrational, weil nur wahrnehmend).
  Daraus ergeben sich acht Persönlichkeitstypen:
  Jung war ein Psychoanalytiker und damit ist sein Modell in erster 
  Linie ein psychodynamisches Modell. Aber es beschreibt auch 
  eine Typologie mit der Unterscheidung des extravertierten und 
  introvertierten Menschen sowie der vier Funktionstypen.
  Jung hat weiterhin sogenannte Archetypen beschrieben, die aus 
  dem kollektiven Unbewussten stammen.
  Für Jung gab es auch bewusste und unbewusste Zustände. Aber 
  er unterschied zudem ein persönliches von einem kollektiven 
  Unbewussten. In diesem kollektiven Unbewussten ist das 
  geistige und seelische Erbe der Menschheitsgeschichte 
  gesammelt. Ähnlich, wie es eine biologische Evolution gibt, in 
  der die Geschichte der Entwicklung der Lebewesen enthalten ist.
  Da die Menschen durch die Geschichte hindurch stets ähnliche 
  und gleiche Erfahrungen machen, bilden sich psychische 
  Grundmuster heraus, die wie Grundmotive auf die menschliche 
  Psyche wirken: die Archetypen. Jung beschreibt zwölf dieser 
  Archetypen.
  Prof. Hans Eysenck
  Der deutsch-britische Psychologe, Hans Eysenck (1916 – 1997), 
  hat das Modell der Temperamente sowie die Körpertypen nach 
  Ernst Kretschmer (1888 – 1964) mit den beiden Einstellungstypen 
  „Introversion“ und „Extraversion“ des Psychoanalytikers, C.G. 
  Jung, verbunden und einen weiteren Aspekt hinzugefügt: den 
  Neurotizismus. Das bedeutet das Spektrum, in dem ein Mensch 
  eher „stabil“ oder eher „instabil“ in seinem Verhalten ist.
  Eysenck geht davon aus, dass die Neigung zu Introversion und 
  Extraversion, sowie auch Neurotizismus genetisch bedingt ist 
  und ihren Sitz im Gehirn und zentralen Nervensystem hat.
  Bei Introvertierten ist das Nervensystem eher ansprechbar und 
  erregbar. Wird emotional auf Ereignisse reagiert, tritt die 
  neurotische Dimension mehr in den Vordergrund. Introvertierte 
  neigen aufgrund ihrer Sensibilität mehr zu Besorgnis. Bei 
  extravertierten Menschen ist das Nervensystem weniger erregbar 
  und daher suchen sie eher nach äußeren Stimulatoren und 
  fühlen sich im Kontakt mit anderen Menschen eher wohl. 
  Nach Eysenck ist die Persönlichkeit „die mehr oder weniger 
  stabile und dauerhafte Organisation des Charakters, 
  Temperaments, Intellekts und Körperbaus eines Menschen, die 
  seine einzigartige Anpassung an die Umwelt bestimmt. Der 
  Charakter eines Menschen bezeichnet das mehr oder weniger 
  stabile und dauerhafte System seines konativen Verhaltens (des 
  Willens); sein Temperament das mehr oder weniger stabile und 
  dauerhafte System seines affektiven Verhaltens (der Emotion 
  oder des Gefühls); sein Intellekt das mehr oder weniger stabile 
  und dauerhafte System seines kognitiven Verhaltens (der 
  Intelligenz); sein Körperbau das mehr oder weniger stabile 
  System seiner physischen Gestalt und neuroendokrinen 
  (hormonalen) Ausstattung“.
  Eysencks Persönlichkeitszirkel
  (Eysencks Persönlichkeitsmodell ist weniger ein Typologisches, 
  sondern ein Faktorenmodell. Das heißt, es wurde aufgrund einer 
  Vielzahl an Eigenschaften auf wenige Dimensionen reduziert.)
  Eduard Spranger
  Es gibt auch Typenmodelle, die sich mit einer geistigen 
  Grundausrichtung beschäftigen. Zum Beispiel, welche Werte-
  Ausrichtung ein Mensch favorisiert. 
  Eduard Spranger (1882 – 1963) war ein deutscher Pädagoge und 
  hat maßgeblich daran mitgewirkt, dass die Pädagogik als eine 
  eigenständige akademische Disziplin anerkannt wurde. Zudem 
  beeinflusste er die Lehrerausbildung in Deutschland. 
  Spranger geht von einer sechsfachen Gliederung der 
  menschlichen Kultur aus, woraus sich sechs geistige 
  Grundhaltungen herauskristallisieren:
  •
  
  Theoretischer Mensch
  •
  
  Ökonomischer Mensch
  •
  
  Ästhetischer Mensch
  •
  
  Politischer Mensch
  •
  
  Sozialer Mensch
  •
  
  Religiöser Mensch
  Bei Typenmodellen spricht man stets von Idealtypen. So ist das 
  auch in diesem Fall. Es treten in der Realität meist komplexe 
  Typen auf. Der Theoretiker mit politischer oder der Techniker mit 
  ökonomischer Ausrichtung.
  Der „person-job-fit“ Ansatz
  John L. Holland (1919 – 2008) war ein amerikanischer 
  Psychologe, der ein Karriereentwicklungsmodell entwickelt hat. 
  Dieses Modell basiert darauf, dass Menschen ebenfalls 
  Neigungen zu einer bestimmten Denk- und Wertestruktur haben, 
  die in der Persönlichkeit verankert sind. Je nach Neigung 
  entscheiden sie sich für ein bestimmtes berufliches Umfeld. 
  Andersherum gesagt eignen sie sich demnach auch für ein 
  bestimmtes berufliches Umfeld ganz besonders, weil sie 
  aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur hier am besten passen. 
  Dieser Ansatz ist auch bekannt unter der Abkürzung RIASEC-
  Modell.
  Holland unterscheidet sechs Grundpersönlichkeiten:
  Welcher Typ passt zudem zu welchem Umfeld:
  Vielen ist dieser Ansatz auch im Rahmen eines Berufsinteressen-
  Tests bekannt und wird gerne bei Berufseinsteigern eingesetzt.
  Tiefenpsychologie
  Sigmund Freud
  Sigmund Freud (1856 – 1939) entwickelte ein Modell der 
  Persönlichkeit, welches man als psychodynamisches Modell, 
  aber auch als Strukturmodel bezeichnen kann. Die 
  Persönlichkeitsstruktur nach Freud besteht aus drei Instanzen: 
  dem Es, dem Ich und dem Über-Ich. Das psychodynamische 
  ergibt sich aus den ständigen Konflikten zwischen dem Es und 
  dem Über-Ich sowie der Realität, zwischen denen das Ich 
  vermittelt. 
  Der Körper mit seinen Trieben, die zur Befriedigung drängen 
  (Lustprinzip) ist die Quelle des Es. Das Neugeborene strebt aus 
  dem Überlebensprinzip heraus nach Lusterfüllung und will 
  Unlust vermeiden. Durch die Interaktion mit der Umwelt 
  entstehen jedoch nach und nach Einschränkungen, mit denen 
  das kleine Wesen zurechtkommen muss. Dies stellt Freud als den 
  Konflikt zwischen dem Es und dem Über-Ich dar. Das Es wird in 
  seinem Bestreben eingeschränkt und Triebe müssen verdrängt 
  werden. Dadurch entsteht Angst, welche die erste Grundlage des 
  Über-Ich darstellt. Das sich bildende Ich (Realitätsprinzip) 
  vermittelt zwischen diesen beiden Instanzen und den 
  Forderungen aus der Realität, indem es einen 
  Abwehrmechanismus entwickelt.
  Dazu stehen ihm verschiedene Techniken zur Verfügung: 
  Identifikation
  Der Mensch identifiziert sich mit einer stärkeren Persönlichkeit, 
  um die eigenen Selbstzweifel zu überdecken.
  Projektion
  Das, was jemand an sich selbst ablehnt, wird auf andere 
  Personen projiziert. Unliebsame Eigenschaften an einem selbst 
  werden in anderen Menschen erkannt, statt in einem selbst.
  Rationalisierung
  Fehlverhalten wird mit vermeintlich rationalen Gründen erklärt.
  Reaktionsbildung
  Unliebsame Empfindungen werden ins Gegenteil umgewandelt 
  (jemand engagiert sich für Nächstenliebe, weil er/sie die eigenen 
  Aggressionen nicht wahrhaben will.
  Regression
  Rückfall in frühere, eigentlich bereits abgeschlossene 
  Entwicklungsphasen.
  Sublimation
  Wenn primitive, sozial nicht akzeptierte Arten der Befriedigung 
  von Bedürfnissen in sozial akzeptable umgewandelt und somit 
  neutralisiert werden.
  Verdrängung
  Unangenehme und schmerzhafte Empfindungen werden aus 
  dem Bewusstsein verdrängt.
  Verschiebung
  Negative Empfindungen werden nicht auf den/die UrheberIn 
  gerichtet, sondern auf ein Ersatzobjekt.
  Widerstand
  Verdrängte Inhalte drängen zurück ins Bewusstsein. Der Versuch, 
  sich dagegen zu wehren, wird als Widerstand bezeichnet.
  Abwehrmechanismen sind nach Freud bis zu einem gewissen 
  Grad notwendig, damit sich eine Persönlichkeit heranbilden 
  kann, die in einem gesellschaftlichen Kontext funktioniert. Ein 
  Zuviel an Verdrängung führt jedoch zu Neurosen oder sogar zu 
  Psychosen. Das erwachsene Ich richtet sich nach moralischen 
  Prinzipien, es stellt das Realitätsprinzip dar und überprüft sich 
  kritisch unter Beachtung des Über-Ich und des Es.
  Freud hatte viele Schüler und seine Psychoanalyse fand weite 
  Verbreitung. Aber es gab auch immer wieder Schüler, die sich in 
  Teilen von Freuds Theorien oder Ansätzen distanziert haben oder 
  sie in Frage stellten. Sie gingen andere Wege und wurden meist 
  schon bald aus der Psychoanalytischen Vereinigung 
  ausgeschlossen. 
  So, wie C.G. Jung, Alfred Adler oder Wilhelm Reich. 
  Alfred Adler
  Alfred Adler (1870 – 1937) gründete daher eine eigene 
  Vereinigung und begründete eine neue Psychologie, die 
  Individualpsychologie. Seine Theorie von der menschlichen 
  Entwicklung und Persönlichkeit unterschied sich sehr von der 
  Freudschen.
  Der Mensch ist ein organisches Ganzes, eine unteilbare Einheit 
  von Körper, Seele und Geist. Adler betont die soziale 
  Persönlichkeit des Menschen: der Charakter bildet sich als 
  Resultat aus der Begegnung mit anderen Menschen 
  (Gemeinschaft).
  Der Mensch ist mehr durch Zukunftserwartungen motiviert als 
  durch vergangene Ereignisse (Finalität).
  Seine Annahme war: der Mensch ist eher durch sein Bestreben 
  nach Überwindung eines Minderwertigkeitsgefühls angetrieben. 
  Zu Anfang eine Organminderwertigkeit sowie der Versuch einer 
  Kompensation (durch andere Organe) bzw. Überkompensation 
  (durch Training der minderwertigen Organe). Es können 
  organische oder aber auch geistige Defizite vorliegen.
  Der Mensch entwickelt schon früh einen unbewussten, 
  „geheimen“ Lebensplan. 
  Die Mittel der Kompensation können von der Umwelt akzeptiert 
  werden, angepasst sein, unakzeptiert oder auch fehlangepasst 
  sein. Je nachdem entstehen daraus Konflikte. Aus einem Gefühl 
  der Minderwertigkeit entsteht ein Streben nach Macht. 
  Wilhelm Reich
  Wilhelm Reich (1897 – 1957) ist der Frage nach der Sexual- und 
  Lebensenergie im Menschen tiefer nachgegangen und hat in der 
  Libido eine biophysikalische Energie gesehen, die sowohl 
  intrapsychische als auch intraorganismische Strukturen bildet. 
  Freud war auf der Suche nach der Energie, die das neurotische 
  Symptom unterhält. Reich glaubte in der organischen Panzerung 
  die Blockade für die, ansonsten frei fließenden vegetativen 
  Energie gefunden zu haben. Ein Beispiel soll die Entstehung von 
  Charakter- und Körperstruktur durch Frustration der 
  Triebwünsche verdeutlichen:
  Wird ein spontanes Verhalten, ein Bedürfnis im weitesten Sinne, 
  von der Umgebung nicht beantwortet oder sogar in einer 
  bestimmten Weise sanktioniert, entsteht Frustration. Diese 
  Frustration äußert sich im Allgemeinen in Wut und Trauer, welche 
  ein Säugling völlig selbstverständlich und spontan zum Ausdruck 
  bringt. Der Säugling ist noch völlig ungepanzert, das heißt, 
  sämtliche vegetative Energie fließt völlig frei und unbehindert 
  gemäß den organismischen Bedürfnissen. Im ungünstigsten Fall 
  wird auch diese spontan geäußerte Frustration mit 
  Zurückweisung beantwortet, was bei Gefühlen wie Wut und 
  Trauer häufig der Fall ist, denn sie sind für die Umgebung im 
  höchsten Maße bedrohlich. Spätestens hier beginnt die 
  eigentliche Verdrängung. Indem sich ein Teil der 
  zurückgehaltenen Energie abspaltet und gegen sich selbst 
  wendet, entsteht eine Panzerung, welche durch dieselbe Energie 
  aufrechterhalten wird. Die Panzerung manifestiert sich aber in 
  verschiedenen funktional identischen Formen. Auf körperlicher 
  Ebene in Form einer muskulären Kontraktion, also Erhöhung des 
  Muskeltonus oder aber einer Erschlaffung der Muskulatur, die 
  den spontanen Ausdruck, d.h., die vegetative Energie 
  zurückhalten. Im psychischen Bereich in Form von 
  Abwehrmechanismen. An der Stelle, der gegen sich selbst 
  gewendeten Energie, entsteht ein innerer sowie äußerer 
  Kontaktverlust, während im äußeren Verhalten sich ein 
  Ersatzkontakt entwickelt, der nichts mehr mit dem primären 
  Impuls zu tun haben muss.
  Auf diesem Wege entstehen sowohl Charakterpanzer 
  (Charakterstruktur) als auch Muskelpanzer (Körperhaltung, 
  Körperstruktur), die angepasste Persönlichkeit also. In beiden ist 
  die gesamte Entstehungsgeschichte enthalten. Die Konflikte 
  jedoch sind der betroffenen Person in der Regel unbewusst. 
  Ebenso die Art und Weise ihrer Körperhaltung und -reaktionen. 
  Durch Charakteranalyse sowie Körperanalyse ist es möglich, 
  unbewusstes Material der Reflexion zugänglich zu machen.
  Reich hatte körperorientierte Zugänge zur Psyche entwickelt. 
  Unter anderem die vertiefte Atmung sowie weitere 
  „Körperübungen“, die gepanzerte Energien und damit die 
  Emotionen befreiten. Er nannte seine Therapie: Vegetotherapie. 
  Er legte damit die Grundsteine späterer Körpertherapien und 
  beeinflusste nachhaltig das moderne Verständnis von den 
  Beziehungen zwischen Körper und Psyche in der Therapie. 
  Für Reich war die gesunde Sexualität und Persönlichkeit 
  synonym mit der frei fließenden organismischen Energie, d.h. 
  mit der Gesamtheit der natürlichen Ausdrucksfähigkeiten des 
  Menschen, ohne Funktionseinschränkung. Reich entwickelte 
  einen gesellschaftskritischen Ansatz und untersuchte 
  massenpsychologische Phänomene, wie zum Beispiel den 
  Faschismus, der auf Unterdrückung der Sexualität aufbaut. Für 
  Reich hat jede patriarchalische und regide Gesellschaftsordnung 
  einen Nutzen von dieser Unterdrückung.
  (Collage aus Bildern aus dem Buch: „Die Rede an den kleinen 
  Mann“ von Wilhelm Reich
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  Behaviorismus
  Die Seele ist eine „Black Box“
  Lernen am Modell
  Die Humansitische Psychologie
  
  
 
 
  
Wissenswertes
 
 
  
Wer bin ich und wenn ja, wie viele
 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
 
 
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